Verdammt coole Gang: Minel Aydin (vorn) und die neue U 9 von RW Ahlen (v. l.) Leni Röller, Lisa Wnek, Lisa Bracht, Akasya Ugur (verdeckt), Melena Kail, Hannah Leineweber, Alisya Karliner und Louisa Holz. Bild: Henning Wegener
Alisya muss mal auf die Toilette. Und rauscht mit wippendem Pferdeschwanz ab. Lisa schwitzt und klagt, dass ihr jetzt voll dolle warm ist. Und Hannah will unbedingt noch auf die Mülltonne klettern. Jetzt! Sofort! „Nein“, sagt Lara mit Engelsgeduld. „Die kippt sonst um“. Ist auch doch auch wahr. Die Plastiktonne soll als Trikotkoffer eigentlich nur das Spielfeld begrenzen. Aber mit Grenzen hat es ein Sack Flöhe nun mal nicht so.
Aber so soll’s ja auch sein. „Starke Mädchen durch Fußball“, so nennt RW Ahlen seine Philosophie, nun auch die Allerkleinsten ans Laufen zu kriegen. Die lernen, den Ball statt am Handy zu spielen und das an frischer Luft statt in überheizten Räumen. Toben und rennen, statt im Internet zu daddeln.
„Boah, die flitzen echt nur rum“, schaut Lara Beyer, dass sie bei der Platzumrundung keines ihrer kunterbunten Mini-Schäfchen verliert. „Total hibbelig …“ Die 18-Jährige sollte eigentlich im Übergang die neuen U 9-Mädels übernehmen, inzwischen ist schon ein halbes Jahr daraus geworden. „Mit Kindern was machen war immer meins“, zuckt die Abiturientin ergeben die Schultern und fügt sich lächelnd.
Denn ihr Job ist einer der wichtigsten überhaupt an der Basis. Kaum ein anderer Verein bildet gerade so junge Fußball-Mädchen aus. Die sechs- bis neunjährigen Heldinnen in rosa Strumpfbuxen unter zu großen Trikots und lila Tretern Größe 32 haben Spaß wie Bolle, auch, wenn’s zweimal die Woche mal anstrengend wird. Dienstag wird auf der Südenkampfbahn mit Ball geübt, „damit sie sich mal das mit Pike schießen abgewöhnen“, verrät Lara. Donnerstag ist Bewegung pur angesagt – Slalomlaufen, über Ringe hopsen, unter Hürden durchwursteln und beim Wetzen und Wieseln Memory-Karten sammeln. Starke Mädchen können so was!
Dem Chef des Ganzen wird’s beim Zusehen ganz warm ums Herz. „Gerade mal zweimal so groß wie ein Fußball, aber sooo ehrgeizig“, ist Martin Temme stolz auf seine Frauen- und Mädchenfußballerinnen und auf die neuen Kicker-Zwerge ganz besonders. Der Abteilungsleiter und Vorsitzende des Fördervereins hat nun endlich jede Altersklasse von Dreikäsehoch bis zu den Bezirksliga-Frauen besetzt, mehr Angebot geht nicht in Ahlen – und weit darüber hinaus.
Dafür opfert Lara Beyer gern die Zeit, die sie in der Abi-Phase eigentlich nicht hat. „Man ist Trainerin, Erzieherin und manchmal auch Elternteil“, sagt sie beim Doppelpass-Spiel mit Klein-Lisa. Sie gibt weiter, was sie als Spielerin bei den Bezirksliga-Damen selbst gelernt hat. „Und ich hab mir abgeguckt, was Papa uns beigebracht hat“, gesteht die Tochter von Frauentrainer Marco Beyer. Auch wenn Schuhezubinden und Rotznasen abwischen dazugehören. Am Anfang nun mal wichtiger als jeder Steilpass.
„Alle mussten das Lachen neu für sich entdecken“
An diesem Donnerstag haben sie alle, die hier auf der Südenkampfbahn herumwuseln, den Corona-Schnelltest gemacht. Alles negativ. Was aber die Verantwortlichen nicht wirklich positiv stimmt.
„Die Leistungsstärke hat nachgelassen“, sagt Kilian Papenfuss, zusammen mit Thomas Wnek Trainer der U 11-Mädchen, die sich den Platz mit den kleinen „Neunern“ teilen. Fein auf Abstand. „Alle mussten den Spaß am Fußball neu für sich entdecken. Und das Lachen auch“, ist Papenfuss angefressen. Einen Monat sind sie nun seit der Zwangspause ab November wieder auf dem Platz, was jetzt kommt, weiß keiner. „Wir bangen um die Kinder.“
Früher haben sich die Jüngsten noch mit der U 11 die Mannschaft geteilt. Jetzt, wo die Lütten endlich ihr eigenes Ding machen, und im Sommer im Fußballkreis Münster sogar eine Meisterschaft spielen wollen, steht alles auf der Kippe. „Wir müssen von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag gucken“, seufzt Martin Temme, der sich als Chef der auch finanziell selbstständigen Abteilung ein wenig Sorgen macht.
Acht Jahre hat es gedauert, mit der Ahlener „Innosozial“ als Partner in der Jugendhilfe eine breite interkulturelle und inklusive Basis aufzubauen. Der Mädchenfußball-Cup einmal im Jahr mit immer fast Hundert Teilnehmerinnen gehört auch dazu. Inzwischen arbeitet die rotweiße Abteilung schon mit fünf Schulen zusammen und bietet einmal die Woche Fußball-Arbeitsgruppen an. „Da sichten wir die Talente“, verrät Temme das Erfolgsrezept.
Lara Beyer macht sich auch keine Sorgen, dass ihr die Fußball-Wichtel ausgehen könnten. „Jede bringt eine Freundin mit, oder die Cousine oder eine aus der Nachbarschaft“, kann sich die Trainerin auf die Mundpropaganda verlassen und wird so schnell nicht arbeitslos.
Das setzt sich eben bis oben fort. Erstmals in der neuen Saison meldet RW Ahlen auch eine zweite Frauenmannschaft, die in der Kreisliga startet, so Corona und Vorschriften es zulassen. Aus starken Mädchen werden eben irgendwann starke Frauen. (Text: Uwe Gehrmann/Die Glocke)